UNTOT. Archäologie BISS Popkultur
31.10.2023 bis 01.04.2024
Untote sind aus der Popkultur nicht wegzudenken. Spätestens seit dem literarischen Manifest Bram Stokers (Dracula, 1897) oder dem filmischen von Friedrich Wilhelm Murnau (Nosferatu, 1922) beweisen sie ihre unaufhaltsame Verbreitung von den Grenzen Südosteuropas aus über den gesamten Erdball. Es werden der „Wilde Westen“, die Tiefsee und der Weltraum unsicher gemacht.
George A. Romeros Kultfilm „Night of the Living Dead“ (1968) hat den Zombie aus westafrikanischen und karibischen Glaubenswelten ins populäre Bewusstsein gerückt. Draugars der Isländersagas werden noch heute zum Bewachen von Grabeshöhlen verdammt (The Elder Scrolls V: Skyrim, 2011).
Weder sind Untote Erscheinungen der Fiktion, noch aus der einstigen Realgeschichte Mitteleuropas wegzudenken. Schon lange ist die Kulturgeschichte mit ihnen befasst. Die Archäologie der „nachholenden Toten“ dagegen ist vergleichsweise jung und geht mit einem disziplinären Wandel einher. Hinterlassenschaften der jüngeren Geschichte und Alltagskultur werden jetzt beforscht. Ehemals als bedeutungslos zurückgelassene Spuren der Angst vor Wiederkehr werden nun als Zeugnisse von Bannriten hinterfragt.
Schon in den 1980er Jahren wurden in Harsefeld herausragende Funde gemacht, aber erst jüngst in dieser Hinsicht gedeutet. Zwei Untote aus dem 14./15. Jh. tauchten im Kreuzgang des Benediktinerklosters auf: Einen Mann hatte man mit Steinen beschwert, der andere war mitsamt dem Sarg umgedreht in die Erde gelegt und zur Sicherheit noch eingemauert worden. Als letzte katholische Bastion im bereits reformierten Elbe-Weser-Dreieck ist das Kloster kein Ort, an dem sich derartiger Aberglaube hätte vermuten lassen. Das Geschehene muss von den Mönchen zumindest toleriert worden sein.
Eine jüngere Grabung im Landkreis Stade brachte Indizien für eine andere Glaubenstradition hervor. Im Schatten der romanischen Kirche St. Martin in Oldendorf wurde 2009 eine vermutete zweifache Nachzehrer*innenbestattung des 12. Jh. entdeckt. Der Mann erhielt einen fremden Oberschenkelknochen unter das Kinn. Das sollte das Kauen am Leichentuch, damit das Wirken totbringender Schadenszauber verhindern. Mit der Bettung der zweiten Toten wurden ihm oberhalb der Knie die Beine abgehackt. Auch sie schien nicht geheuer zu sein, darauf deuteten je ein Stein unterhalb des Kinns und im Mundbereich hin. Wer aber waren die Untoten, die man fürchtete und denen man den Frieden im Jenseits verweigern wollte? Welches Grauen trieb ihre Jäger*innen zu einem Mehr-ist-Mehr der Bannrituale an?
Anlässlich der jüngeren Forschungen der Stader Kreisarchäologie spürt die Ausstellung dem Glauben an Wiedergänger*innen und seinem Nachhall in der Kulturgeschichte nach. Die archäologischen Befunde des Landkreises Stade werden um regionale und überregionale vom 10. bis 19. Jh. ergänzt und treten in einen Dialog mit volkskundlichen Belegen in Schrift und Bild sowie vielfältigen Erzeugnissen der Popkultur. Bones meet Tabletop. Van Swieten meets Buffy. Memento Mori meets Valar Morghulis.
Die Ausstellung wird gefördert von:
Projektpartner: